Notation der phonetischen Regeln

Version: 7. Oktober 1998

Basisnotation

Linguistische Regeln haben grundsätzlich das Format A > B / C. Die einzelnen Teile bezeichnen hierbei: A die Bedingung, B für Folge und C als Kontext. Die Regel kann somit gelesen werden als "A wird zu B im Kontext C".

Folge und Bedingung können aus einer oder zwei Lautgruppen bestehen. Als Lautgruppe bezeichnen wir eine Folge von einem oder mehreren Lauten. Für jede Lautgruppe kann ein linker und ein rechter Kontext angegeben werden. Somit ergeben sich grundsätzlich folgende zwei Schreibweisen für linguistische Regeln:

x > x' / xl – xr

eine Lautgruppe (x)
x - y > x' - y' / xl – xr ; yl – yr zwei Lautgruppen (x, y)

Xl und xr bzw. yl und yl stehen hierbei für den linken und den rechten Kontext von x bzw. y. Ein Semikolon (";") ist nötig, um den linken Kontext von y (yl) vom rechten Kontext von x (xr) zu trennen.

Die Laute

Laute lassen sich durch zwei verschiedene Typen von Zeichen beschreiben: a) Litteralzeichen, b) Symbolzeichen.

  1. Litteralzeichen sind Zeichen des phonetischen Alphabets. Sie müssen vom Anwender zuerst definiert werden. Einem Litteralzeichen in der Bedingung entspricht genau ein Laut.

  2. Symbolzeichen: Sie beschreiben eine bestimmte "Kategorie" von Lauten. Die Kategorie kann durch eine Liste von distinktiven Merkmalen definiert werden. Auch Symbolzeichen müssen vom Anwender zuerst definiert werden. Dabei kann er gewisse Merkmale fest mit dem Symbolzeichen verbinden. Zusätzliche Merkmale können hinter dem Symbolzeichen in eckiger Klammer angefügt werden.

X [ t1, t2, ..., tn ]

Hier steht x für irgendein Symbolzeichen. T1, t2, ..., tn geben eine Liste von zusätzlichen Merkmalen an, die der Laut aufweisen muss. Markieren von Lauten

Symbolzeichen, die in der Bedingung auftreten, können durch eine Zahl zwischen 1 und 9, die hinter dem Symbolzeichen angegeben wird, markiert werden. In der Folge kann dann gezielt auf diesen Laut zugegriffen werden.

X Z [ t1, t2, ..., tn ]

Hier steht also Z für eine Zahl zwischen 1 und 9.

 

Gleichheit / Ungleichheit von Lauten

Bei Symbolzeichen kann auch angegeben werden, ob zwei Laute gleich oder verschieden sein müssen. Dies kann durch die Angabe der Zeichen ‘, ", "‘ oder "" hinter dem Symbolzeichen erreicht werden.

X C [ t1, t2, ..., tn ]

C steht hier also für ‘, ", "‘ oder "". Gleich viele Striche bedeuten, dass die Laute gleich sein müssen, eine unterschiedliche Anzahl bedeutet, dass die Laute verschieden sein müssen. Auch hier werden die Laute markiert: Man kann also in der Folge durch die Angabe von ‘, ", "‘ oder "" direkt auf die einzelnen Laute zugreifen.

Verwendung von Klammern

Lautgruppen können grundsätzlich dadurch definiert werden, indem Lautzeichen (Symbolzeichen, Litteralzeichen) aneinandergefügt werden. Können auf einen Laut mehrere Laute folgen, so können diese Laute in einer geschweiften Klammer zusammengefasst werden und hinter dem Laut stehen.

a { b1, b2, ..., bn }

Damit wird gesagt, dass der Laut a von den Lauten b1, b2, ..., bn gefolgt sein kann. Die Laute b1, b2, ..., bn sind also durch ein logisches ODER verbunden. Obige Bedingung kann gelesen werden als: a gefolgt von b1 ODER a gefolgt von b2 oder ... oder a gefolgt von bn.

Mehrfachentwicklungen

Mehrfachentwicklungen treten dann auch, wenn eine Bedingung gleichzeitig mehrere Folgen (= Entwicklungen) haben kann.

B > { F1, F2, ..., Fn } / C

Morphemgrenzen / Silbengrenzen

Für Morphem- und Silbengrenzen sind die Zeichen + und | fest vordefiniert. Diese beiden Zeichen können in der Bedingung, der Folge und im Kontext verwendet werden. Sie stehen jeweils nach einem Litteral- oder Symbolzeichen (bei Symbolzeichen ganz am Schluss, d.h. nach eckigen Klammern) und bezeichnen dann eine Morphem- oder Silbengrenze die zwischen diesem Laut und dem nächstfolgenden steht. Beide Zeichen können zusammen stehen (wenn eine Morphemgrenze mit einer Silbengrenze zusammenfällt).

Silben- und Morphemgrenzen sind fester Bestandteil des Wortes, auf den die linguistischen Regeln angewandt werden. Deshalb ist es Sache des Anwenders, eventuelle Nebeneffekte phonetischer Regeln in Bezug auf Silben- und Morphemgrenzen im Auge zu behalten (fällt beispielsweise ein Vokal aus, so er in der Regel darauf achten, dass gleichzeitig die unmittelbar folgende Silbengrenze gelöscht wird).

Silben- und Morphemgrenzen können nur zwischen den Lauten stehen. Das bedeutet, dass am Anfang und am Ende des Wortes keine Silbengrenzen stehen.

Zusätzliche Zeichen

Zusätzlich zu Litteral- und Symbolzeichen können auch folgende Zeichen verwendet werden:

#

stummer Laut, gibt Wortanfang, Wortende an

0

kein Laut; kann in Bedingung und Kontext verwendet werden, insbesondere aber auch in der Folge, wenn ein Laut ausfällt

!

Negation, steht unmittelbar vor einem Litteral- oder Symbolzeichen. Sollen mehrere Laute verneint werden, müssen Klammern verwendet werden: !(p1 p2 ... pn)

..

bedeutet: es kann kein, ein oder mehrere Laute stehen. Es ist fest definiert, dass dabei keine Silbengrenzen übersprungen werden dürfen!

?

irgendein Laut, wird wie ein Symbolzeichen behandelt (es kann also eine Liste mit Merkmalen angegeben werden)

Definitionen

Um Regeln formulieren und anwenden zu können, muss der Anwender zuerst die Laute und Symbolzeichen definieren, die er verwenden möchte.

  1. Definition der Laute: Dem Anwender steht ein Font mit phonetischen Zeichen zur Verfügung. Jedes Zeichen, das der Anwender benutzen möchte, muss eine linguistische Definition erhalten. Eine linguistische Definition besteht aus der Angabe der distinktiven Merkmale, die den Laut charakterisieren. Auch diese Merkmale müssen zuerst definiert werden.

    Merkmale teilen sich auf in verschiedene Gruppen. Merkmale und Gruppen können folgendermassen definiert werden:

    @defattributes G1 := { m1,1, m1,2, ..., m1,n1 } G2 := { m2,1, m2,2, ..., m2,n2 } ... Gx := { mx,1, mx,2, ..., mx,nx } @endattributes

    G1, G2, ..., Gx stehen hier für Gruppenbezeichnungen. Mij steht für jeweils für eine Merkmalbezeichnung. Es kann pro Merkmal nur eine Bezeichnung gewählt werden. Komplementäre Merkmale (z.B. betont vs unbetont) sind als ein Merkmal zu definieren. Das komplementäre Merkmal kann dann durch Verneinung ausgedrückt werden (z.B. betont vs –betont).

    Die Laute lassen sich dann mithilfe der Merkmale auf folgende Weise definieren:

     

    @deflitterals Z := [ m1, m2, ..., mn ] (hier können weiter Lautdefinitionen stehen) @endlitterals

    Hierbei steht Z für das zu definierende Zeichen. Dieses darf kein Grossbuchstabe sein (siehe Symbolzeichen). Es kann entweder das Zeichen selbst, oder "#" gefolgt vom ASCII-Code des Zeichens stehen. In eckiger Klammer können danach die einzelnen Merkmale aufgeführt werden.

  2. Definition von Symbolzeichen: Symbolzeichen sind Zeichen, die für bestimmte Merkmale stehen. Sie können folgendermassen definiert werden:
 

@defsymbols

Z := [ m1, m2, ..., mn ] (hier können weiter Symbolzeichendefinitionen stehen) @endsymbols

Hier steht Z für das Symbolzeichen. Es ist zu beachten, dass nur Grossbuchstaben (A, B, ..., Z) als Symbolzeichen definiert werden dürfen. In eckiger Klammer stehen wiederum die einzelnen Merkmale, für die das Symbolzeichen steht. Zusätzliche Elemente einer linguistischen Regel

Bei einer linguistischen Regel können neben Bedingung, Folge, Kontext (vgl. A > B / C) noch folgende Elemente angegeben werden:

 

Zeit: Der Zeitraum, für den die linguistische Regel gültig ist, kann vor der linguistischen Regel stehen:

T: A > B / C

Der Doppelpunkt (":") ist nötig, um die Zeitangabe von der Bedingung zu trennen. T kann eines der zwei folgenden Formate haben:

a) x: Zeitraum durch eine Angabe definiert.

b) x – y: Zeitraum durch Werte "von" und "bis" definiert.

X und y können dabei römische oder arabische Zahlen sein. Zeitangaben haben grundsätzlich den Wert "n. Chr.". Wird nach der römischen oder arabischen Zahl ")" angegeben, so handelt es sich um eine Zeitangabe "v. Chr.".

Zeitangaben fliessen nur dann in die Berechnung ein, wenn beim Eingeben des Wortes ein bestimmter Zeitpunkt vermerkt wird, ab dem die Berechnung erfolgen soll.

Kommentare: Eine Regel kann auch mit einem linguistischen Kommentar versehen werden. Dieser muss nach der Regel stehen:

A > B / C : K

Auch hier ist ein Doppelpunkt nötig, um den Kommentar von der Regel zu trennen.